Lotor.de: Alles über Waschbären

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Waschbären in der Stadt

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Der Kulturfolger Waschbär ist zunehmend im städtischen Siedlungsraum anzutreffen, wo er viel höhere Populationsdichten erreichen kann als in Waldgebieten. Dabei können Konflikte mit dem Menschen entstehen, wenn er etwa einen Dachboden als Schlafplatz auswählt. Anstatt einzelne Tiere wegzufangen, sollten zur Konfliktvermeidung besser präventive Maßnahmen ergriffen werden. Wer Waschbären füttern will, sollte auf ausgewogene Kost achten.

Kulturfolger Waschbär

Während im Rest Deutschlands noch viele Menschen den Waschbären mit einem Dachs verwechseln, wird dies in Nordhessen und Südniedersachsen garantiert niemandem mehr passieren. Dort haben zahllose Waschbären nämlich Wald und Flur hinter sich gelassen und in Dörfern und Städten eine neue Heimat gefunden. Wildtiere, denen es gelungen ist, in den städtischen Lebensraum vorzudringen und für sich zu nutzen, werden übrigens auch als Kulturfolger bezeichnet. Wie könnte es auch anders sein, ist dieser Trend mal wieder mit einiger Verspätung aus Amerika herübergeschwappt. Dort wurden nämlich schon in den 20er Jahren die ersten Stadtbären im Vorstadtgebiet Cincinnatis in Ohio gesichtet. [X] Wenn man einige kleinere Ortschaften wie Bad Karlshafen mit etwa gleich großen Populationsdichten außer Acht lässt, ist in Europa eindeutig Kassel führend im Import maskierter Raubtiere. Seit der Einfuhr der ersten Exemplare in den 60er Jahren, womit Kassel europäischer Vorreiter war, wurde die Spitzenposition nicht mehr abgegeben. [X] Trotz der rasanten Ausbreitung des Waschbären in Deutschland, sind in den meisten Gegenden die Populationsdichten jedoch immer noch zu gering, als dass aus ihnen ausgeprägte Stadtpopulationen hervorgehen könnten. [X]

Leben in der Stadt

Waschbären haben sich inzwischen also in unseren Städten breit gemacht. Genauso übrigens wie Füchse und Wildschweine, von denen es in Berlin schon mehr als 5000 Stück geben soll. [X] Es ist dabei allerdings nicht so, dass sich Waschbären gleichmäßig über das ganze Stadtgebiet verteilen. Vorstadtsiedlungen oder Stadtviertel mit vielen freistehenden Einzelhäusern, die mit reichhaltigen Obstgärten und einem üppigen Schlafplatzangebot aufwarten können, sind besonders beliebt. [X] Ganz oben auf der Liste der bevorzugten Lebensräume stehen auch Stadtparks, wo die Besucher zumindest von Frühling bis Herbst für einen nicht enden wollenden Nachschub an Fressalien in Form achtlos in den Müll geworfener Butterbrote sorgen. Aus dem Stadtpark von Washington D. C. stammt auch der Rekord der höchsten je gemessenen Populationsdichte von 333,3 Tieren pro Quadratkilometer, wenngleich der gerundete Wert auf eine gewisse Messungenauigkeit schließen lässt. [PDS] Auf die Fläche eines Fußballfelds würden somit ziemlich genau zwei Waschbären kommen. Selbst im Durchschnitt werden in günstigen urbanen Habitaten oft Populationsdichten von mehr als 100 Tieren pro Quadratkilometer gemessen. Im Vergleich dazu leben auf der gleichen Fläche in amerikanischen Waldgebieten durchschnittlich nur etwa sieben bis zehn Tiere. [DW] Das gleiche Bild zeigt sich bei der Größe der Streifgebiete. Diese variieren zwar auch in freier Natur mit einer Größe von 50 bis über 1000 Hektar in wenig bewaldeten Gebieten sehr stark [DWA], aber in Städten sind sie selten größer als 10 Hektar. Manche Exemplare finden sogar auf einem einzigen Hektar alles, was sie zum Leben brauchen.

Waschbär auf frischer Tat ertappt beim Ausräumen einer Mülltonne

[1] Waschbär auf frischer Tat ertappt beim Ausräumen einer Mülltonne

Wie ist so etwas möglich? Diese Frage lässt sich leicht damit beantworten, dass der Waschbär von den Strukturen, die der Mensch in den Städten geschaffen hat, ganz erheblich profitiert. Zum einen ist da das große zusätzliche Angebot an Schlaf- und Wurfplätzen zu nennen. Gartenhäuschen, Garagen und verlassene Gebäude stehen ganz oben auf der Liste der begehrtesten Unterkünfte. Aber auch Dachböden und Kaminschächte werden gerne als Ruhestätten genutzt. Dies kann mitunter zu ernsthaften Konflikten mit den zweibeinigen Bewohnern des Hauses führen; weiter unten mehr dazu. Gerade in Gebieten mit kalten Wintern wie den kanadischen (Waschbär-)Metropolen Vancouver und Toronto geht auch von der höheren Durchschnittstemperatur in Städten und beheizten Räumen, die als Winterquartier genutzt werden können, eine große Anziehungskraft aus. Zum anderen sorgt der Mensch immer für einen reich gedeckten Tisch bei Familie Waschbär. In einem Garten mit überreifen Äpfeln und fetten Regenwürmern im Erdboden fühlt sich ein Waschbär wie im Schlaraffenland. Und die Lasagne vom Vortag im Biomüll mundet vielleicht uns nicht mehr, aber ein Waschbär, der aus dem täglichen Überlebenskampf als Gewinner hervorgehen muss um in der nächsten winterlichen Fortpflanzungsperiode in Saft und Kraft zu stehen, darf natürlich nicht so wählerisch sein.

Außer den reinen Stadtbären, die schon seit vielen Generationen innerhalb der Stadtgrenzen leben, gibt es aber auch immer noch viele Exemplare, die es nur nachts zur Futtersuche in die Städte zieht und die den Tag lieber in einem Versteck am Waldrand verschlafen. [X] Waschbären weisen im naturnahen Raum laut neuesten Untersuchungen ein recht variables Sozialverhalten auf, aber im Zuge der enormen Populationsdichten wurde im urbanen Siedlungsraum mitunter eine regelrechte Herdenbildung beobachtet, was in freier Natur in dieser Form dann doch nicht üblich ist. Ergiebige Futterstellen und gut geschützte Schlafplätze locken manchmal 30 oder gar mehr als 40 Individuen an. Einen echten Macho beobachtete übrigens der Biologe Sascha Ljubisavljevic im Rahmen der wissenschaftlichen Untersuchung der Kasseler Waschbären im Jahr 2002: "Tagsüber schlief er in der Martini-Brauerei, bei DaimlerChrysler oder über dem Verkaufsraum eines Sexshops. Nachts schlich der ''echte Kerl'' durchs Rotlichtviertel und tollte im Park vor der Orangerie." [RUT] Ein anderes bemerkenswertes Exemplar schaute vor dem allabendlichen Aufbruch zusammen mit seinen zweibeinigen Mitbewohnern auf der Wohnzimmercouch noch gerne die Tagesschau. Über seine Einschätzung der Lage des Israel-Palästina-Konflikts ist leider nichts bekannt geworden. [X]

Maßnahmen zur Konfliktvermeidung

Während ein umgeworfener Mülleimer und ein abgeernteter Kirschbaum im Zuge der Verstädterung zahlreicher Tierarten einfach ertragen werden muss, hört selbst bei den tolerantesten Zeitgenossen der Spaß auf, wenn ein Waschbär Dachziegel abdeckt, die Wärmeisolierung zerfetzt und auf dem Dachboden spät nachts einen Höllenlärm veranstaltet. Das Eindringen in Gebäude, um den Dachboden oder den Kaminschacht als Schlaf- und Wurfplatz zu nutzen, stellt zweifellos ein großes Problem dar. Hierbei können schnell signifikante materielle Schäden entstehen, zum Beispiel durch einsickerndes Regenwasser. Guter Rat ist hier aber nicht teuer, sondern kostenlos auf der Website von Ingo Bartussek verfügbar, oder gegen ein geringes Entgelt in seinem Buch "Die Waschbären kommen". An dieser Stelle wiederhole ich daher nur noch einmal das Wesentliche:

Um Schäden an der Bausubstanz zu vermeiden, ist es meist nicht sinnvoll, einzelne Tiere zu fangen oder zu töten, da derartige Schlafplätze in der Regel mehreren Waschbären bekannt sind. Dass der ausgesuchte Dachboden ein besonders kuscheliges Plätzchen ist, spricht sich unter den Waschbären der Umgebung durch entsprechende Duftmarken nämlich wie ein Lauffeuer herum. [DW] Stattdessen müssen vorbeugende Maßnahmen ergriffen werden, die verhindern, dass die Waschbären überhaupt erst auf und dann in das Gebäude gelangen können. Fast immer werden die Häuser über angrenzende Bäume oder das Fallrohr der Regenrinne erklettert. Das Stutzen der Bäume und und glatte (!) Schutzbleche, die den Aufstieg verhindern und dazu mindestens einen Meter lang sein sollten, schaffen hier schnell und günstig Abhilfe. Mülltonnen können mit straffen Gummibändern, Vorhängeschlössern oder, übergangsweise, sehr schweren Steinen gesichert werden.

Wie im Kapitel über die Fortpflanzung des Waschbären beschrieben, ist es so gut wie unmöglich, Waschbären durch starke Bejagung dauerhaft aus dem Stadtgebiet zu vertreiben. Entweder würden Waschbären aus dem Umland in die nun frei gewordenen Territorien nachfolgen oder die Fortpflanzungsrate der Weibchen würde merklich ansteigen. Statt über eine nicht mehr tragende alte Fähe, die gemütlich ihre bevorzugten Futterplätze abklappert und sich dann zur Ruhe bettet, darf man sich im nächsten Frühling dann stattdessen über einen Wurf junger Rabauken freuen, die sich nachts um 3 Uhr eine lautstarke Rauferei liefern. Das ist dann wohl auch die gerechte Strafe für alle, die sich nicht informieren und sich nichts sagen lassen, sondern sich von vornherein auf ein "Das Tier muss weg!" festgelegt haben.

Vertreiben von Waschbären

Um einen Waschbären aus einem Gebäude zu vertreiben gibt es leider kein Patentrezept. Vielleicht hilft eine der folgenden Maßnahmen:

  • Gehörsinn: Lärm machen, z. B. durch ein eingeschaltetes Radio auf maximaler Stufe oder durch ein Ultraschallgerät
  • Sehsinn: Beleuchten des Verstecks mit hellem oder flackerndem Licht, (evtl. gesteuert durch eine Zeitschaltuhr)
  • Geruchssinn: Verbreiten unangenehmer Gerüche, z. B. durch Mottenkugeln oder durch einen mit Hunde-Urin getränkten Stofflappen
  • Verteilen von Hundehaaren oder anderen von natürlichen Feinden des Waschbären stammender Gegenstände

Vielleicht hilft bei einem besonders störrischen Exemplar aber auch gar keine davon. Unter Umständen steigen die Erfolgsaussichten, wenn mehrere der genannten Maßnahmen auf einmal durchgeführt werden, um den Eindringling regelrecht damit zu schocken, wie ungemütlich seine Wohnstätte plötzlich geworden ist. Auf jeden Fall muss man davon ausgehen, dass der Effekt nur vorübergehend ist. Wenn sich kein Waschbär mehr im Haus befindet (egal, ob er geflohen oder nur nachts auf Achse ist), müssen daher so schnell wie möglich alle (!) denkbaren Eingänge fest verschlossen werden. Ein dünnes Holzbrett ist auf gar keinen Fall ausreichend, um einen zu allem entschlossenen Waschbären aufzuhalten. Hat sich im Frühling eine Waschbärmutter samt Welpen eingenistet, kann man versuchen, einen möglichst einfachen Abstieg vom mutmaßlichen Versteck aus zu konstruieren. Es ist nämlich möglich, dass der von Frau Mama gewählte Weg für die Kleinen technisch zu anspruchsvoll ist und man deren lautstarke Raufereien deswegen einige Wochen länger als üblich ertragen muss. Bei allem, was man tut, ist darauf achten, dass man genügend Abstand zum maskierten Räuber hält. Waschbären sind normalerweise nicht aggressiv und gehen einer Auseinandersetzung aus dem Weg, aber wenn sie sich angegriffen fühlen können sie mit ihrem Gebiss extrem schmerzhafte Wunden verursachen.

Waschbären mit einer (zugelassenen) Lebendfalle zu fangen und an anderer Stelle auszusetzen ist nach § 28 Abs. 3 BJagdG verboten, das heißt ein gefangener Waschbär muss direkt vor dem eigenen Haus wieder freigelassen werden. Dabei ist äußerste Vorsicht geboten, da sich ein in der Falle in die Enge getrieben fühlender Waschbär äußerst aggressiv werden kann. Wer eine sofort tödlich wirkende Falle einsetzt ohne eine Fangerlaubnis zu besitzen, gilt nach § 292 StGB als Wilderer, da der Waschbär in fast allen Bundesländern als jagdbares Wild eingestuft wird. Wer die Mutter eines Wurfes junger Welpen tötet oder an anderer Stelle aussetzt, macht sich zusätzlich nach § 17 TierSchG der Tierquälerei schuldig, da die Jungen dadurch einen qualvollen Hungertod sterben müssen. Das wahrscheinlich Dümmste, was man machen kann, ist einen Hund auf den Waschbären zu hetzen. Nicht nur, dass dies einen schweren Verstoß gegen das Tierschutzgesetz darstellt, eine derartige Auseinandersetzung geht auch oft genug für den Hund und nicht etwa für den Waschbären tödlich aus.

Füttern von Waschbären

Das effektivste Mittel zur Konfliktherbeiführung mit Waschbären ist es, diese anzufüttern. An dieser Stelle aber keine eindringliche Warnung davor, auf keinen Fall Waschbären zu füttern, weil sie sich sonst an den Menschen gewöhnen und aufdringlich werden können, sondern der Rat:

Wer Waschbären füttern will, der soll es einfach tun!

Ja, ernsthaft. Die meisten Experten raten zwar davon ab, Wildtiere zu füttern, aber beileibe nicht alle. Virgina C. Holmgren ("Raccoons - In History, Folklore & Today''s Backyards"), Stephen Harris ("Urban Foxes") und Günther Schumann ("Wilde Füchse - Ganz vertraut") schwärmen jedenfalls davon, wie sie auf diese Weise faszinierende Beobachtungen ihrer Lieblingstiere machen konnten. Gerade das Argument, man müsse Rücksicht auf seine Nachbarn nehmen, kann mich persönlich nicht überzeugen. Ich sehe es jedenfalls nicht ein, warum ich Rücksicht auf meine extrem unverschämten Nachbarn nehmen sollte, die in mindestens zwei Fällen meine Familie terrorisiert haben. (Anmerkung des Autors: An meinem Wohnort gibt es keine Waschbären, weshalb ich logischerweise auch keine Füttern kann.) Auch das Argument, man gewöhne Waschbären durch das Füttern mit der Zeit an den Menschen, wodurch sie in Zukunft immer aufdringlicher würden, ist in meinen Augen nicht überzeugend. Einerseits haben sich viele Stadtbären ähnlich wie Tauben schon vollständig an die Gegenwart des Menschen gewöhnt, andererseits dauert es mitunter Jahre, bis sich eine größere Gruppe wilder Waschbären an einen bestimmten Menschen gewöhnt hat, so dass sie nicht gleich bei der geringsten Annäherung die Beine in die Hand nehmen. Demgegenüber steht die Möglichkeit, seine Lieblingstiere durch die Fütterung viele Stunden lang beobachten zu können und ihnen das harte Leben auf der Straße etwas einfacher zu machen. Waschbären leben in freier Natur meist nur wenige Jahre. Selbst wenn sie nur gelegentlich gefüttert werden, hat dies aus ihrem Blickwinkel schon eine Langzeitwirkung.

Raubtierfütterung
[2] Raubtierfütterung

Wer Waschbären füttern möchte, sollte natürlich trotzdem einige Dinge beachten, damit die ganze Sache nicht aus dem Ruder läuft. Man sollte auf keinen Fall so viel füttern, dass sie nirgendwo sonst mehr nach Nahrung suchen müssen. In diesem Fall würde eine so starke Abhängigkeit von dieser Nahrungsquelle entstehen, dass sie sich irgendwann kaum noch selbständig ernähren können. Außerdem sollte man bevorzugt gesunde Kost anbieten und nicht immer nur Kekse oder gar die bei vielen Waschbären ebenfalls sehr beliebten Marshmallows. Sehr gut eignet sich Trockenfutter für Hunde, das es in sehr vielen verschiedenen Geschmacksrichtungen gibt, gemixt mit etwas frischem Obst. Trauben und Bananen werden praktisch immer gerne genommen. Da das eigene Haus nun eine magische Anziehungskraft auf die Waschbären der Umgebung ausübt, muss man sich darauf einstellen, schon bald einer schier unüberschaubaren Anzahl hungriger Mäuler gegenüberzustehen. Wenn man die Futterration nicht erhöht, sollten die meisten mit etwas Glück aber wieder mit der Zeit verschwinden. Dass das eigene Haus vor dem Beginn der Fütterung waschbärsicher gemacht werden muss, versteht sich hoffentlich von selbst. Man muss seine Waschbärliebe ja nicht gleich so weit treiben, dass man auch noch den eigenen Dachboden mit ihnen teilt. Am allerbesten wäre es natürlich, man könnte zur Fütterung irgendwo an den Stadtrand fahren, wo man Wildtiere ungestört füttern kann ohne dabei das eigene Haus zum Objekt der Begierde zu machen.

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Bilder

Quellen

  • [DW] "Der Waschbär" von Ulf Hohmann
  • [DWA] "Der Waschbär" von Anke Lagoni-Hansen
  • [PDS] Seth Riley, John Hadidian und David A. Manski (1998): "Population density, survival, and rabies in raccoons in an urban national park" - Can. J. Zool. 76: 1153-1164
  • [RUT] Philip Bethge: "Randale unterm Dach" in Der Spiegel 26/2002
  • [X] Quelle fehlt noch

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